Kritik an Bürgerversicherung
Bundesärztekammer: Bürgerversicherung fördert Zwei-Klassen-Medizin
29. Januar 2017
Die Bertelsmann-Stiftung hat zu Beginn des Jahres eine Studie zur Krankenversicherungspflicht für Beamte vorgestellt und die Abschaffung der Beihilfe gefordert. Darin wurden jährliche Einsparungen von mehreren Milliarden Euro prognostiziert. Der Präsident der Bundesärztekammer Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery hält die Ergebnisse der Studie allerdings für fragwürdig. Er übt Kritik auch an den Vorschlägen der SPD zur Bürgerversicherung.
Er bezeichnet das von den Autoren der Studie vorgestellte Modell als „Totengräber des dualen Krankenversicherungssystems in Deutschland und der Wegbereiter der Einheitskasse“. Faktisch handele es sich dabei um eine Art Bürgerversicherung, auch wenn in der Studie selbst dieser Begriff nicht genutzt wird.
Montgomery lehnt ein solches Modell entschieden ab und betont stattdessen die Vorteile des deutschen Systems mit gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen.
Bürgerversicherung: Großbritannien und die Niederlande als abschreckende Beispiele
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Warnende Beispiele sieht der Verbandschef dabei vor allem in Großbritannien und den Niederlanden. Dort hätten Einheitssysteme vor allem zu „Rationierung, Wartezeiten und zu Begrenzungen in den Leistungskatalogen“. Dies wäre vor allem für die arme Bevölkerung und die Mittelschicht ein Problem. Denn reiche Einwohner könnten sich auch weiterhin mit teuren Zusatzversicherungen einen Zugang zur Spitzenmedizin sichern.
Einheitliches Gesundheitssystem fördert Zwei-Klassen-Medizin
Faktisch habe die Einführung des Einheitssystems daher lediglich zu einer besonders ausgeprägten Form der Zwei-Klassen-Medizin geführt. Eine ähnliche Entwicklung befürchtet Montgomery auch in Deutschland, falls das Modell der Bertelsmann-Stiftung in die Tat umgesetzt werde. Denn aus seiner Sicher erfüllen die privaten Krankenkassen wichtige Funktionen innerhalb des deutschen Gesundheitssystems.
Das Geld der privaten Krankenversicherungen wird benötigt
So führten die hohen Leistungsversprechen der privaten Krankenversicherer dazu, dass auch die gesetzlichen Krankenkassen einen hohen Qualitätsstandard bewahrten. Das fördere den medizinischen Fortschritt im Hinblick auf Therapie und Diagnostik. Auch in diesem Fall verweist der Ärzte-Chef wieder auf die Niederlande und Großbritannien. Dort fehle ein solches Konkurrenz-Element, sodass es zu massiven Kürzungen bei den Leistungen für die Versicherten gekommen sei.
Außerdem trügen die Zahlungen der privaten Versicherungen dazu bei, dass die Krankenhäuser und Rehakliniken sich eine hochwertige medizinische Ausstattung leisten können. Diese steht dann natürlich allen Versicherten zur Verfügung. Aus seiner Sicht wäre durch den Wegfall der privaten Krankenversicherung also massiv die Qualität der deutschen Gesundheitsversorgung bedroht.
Abschaffung der PKV bedroht die Existenz von Ärzten
Besonders ärgern dürfte den Ärztepräsident aber vor allem die Tatsache, dass durch die vorgeschlagene Reform der Bertelsmann-Stiftung dem Gesundheitssystem insgesamt mehrere Milliarden Euro entzogen werden. Dies wiederum führt in letzter Konsequenz zu weniger Einnahmen für die niedergelassenen Ärzte.
Diese sind aber „wegen der engen Budget-Grenzen in der GKV für eine wirtschaftliche Praxisführung auf die stabilen Einnahmen aus der Behandlung der Privatversicherten angewiesen“, so der Ärztepräsident. Dies könne auch über ein höheres Vergütungsmodell nicht ausgeglichen werden, zumal ohnehin schon erhebliche Unterschiede zwischen den ländlichen Regionen und Fachgebieten bestünden. So verdienen Ärzte in der Großstadt deutlich besser, während auf dem Land oftmals ein Mangel an Medizinern herrscht.
Rechtliche Aspekte sind zu beachten
Außerdem bringt Montgomery formale Einwände gegen das Modell der Stiftung vor. Denn beamtenrechtlich dürfte es äußerst schwierig werden, den Großteil der Beamten in die gesetzliche Krankenversicherung einzubeziehen. So haben 3,6 Millionen Beamte inzwischen Altersrückstellungen in Höhe von rund 76 Milliarden Euro angesammelt.
Dieses Geld wurde in der Studie der Stiftung dafür verwendet, um Einbußen der Ärzte zu kompensieren – was rechtlich aber nur schwer durchzusetzen sein dürfte. Dies gestehen die Autoren auch ganz offen ein: Sie schreiben explizit, dass eine verfassungs- und beamtenrechtliche Prüfung des Modells nicht stattgefunden hat.